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Einschätzungen
zu "supermodernen", neuen Medikamenten
In Kanada ist eine interessante
Arbeit
über Ghost-Writing und Publikationsplanung bei Fachveröffentlichungen
erschienen. Fugh-Berman & Dodgson (2008) berichten dort, dass die gezielte
Veröffentlichung von Forschungsergebnissen in medizinischen
Fachzeitschriften von der Pharmaindustrie genutzt wird, um die öffentliche
Meinung über eine Therapie in eine bestimmte Richtung zu steuern. Besonders
bei neu eingeführten Arzneistoffen wird durch gezielte Beeinflussung
der Zulassungsbehörden ein Medikament werbe- und absetztechnsich platziert.
Schon lange vor der Zulassung neuer Medikamente werden gezielt Publikationen
lanciert, um so die Fachöffentlichkeit auf neue Therapien einzustimmen.
Am Beispiel des Vorhofflimmerns kann man das sehr gut sehen. Über dieses
Krankheitsbild erscheinen zur Zeit zahlreiche Publikationen, die mit aller
Wahrscheinlichkeit auf neue Therapien vorbereiten sollen (Arzneimittelinfo
2009). Dies ist natürlich erstmal nicht weiter schlimm. Immerhin ist
es eine Voraussetzung, bei neuen Arzneimitteln die Wirksamkeit und
Verträglichkeit zu testen, bevor diese zugelassen werden. Und bevor
Arzneimittel in der täglichen Praxis eingesetzt werden, sollten aus
Gründen der Therapiesicherheit und ethischen Erwägungen diese
ausreichend untersucht worden sein. Keine Frage. Problematisch aber wird
es dann, wenn die Medikamente mit manipulierten Artikeln gepuscht werden
sollen.
Das Puschen funktioniert so, dass ein Pharmaunternehmen einen Ghostwriter
(Geistschreiber, also jemand, der für andere etwas schreibt und dabei
selbst nicht genannt wird) engagiert, der passende Übersichtsarbeiten
erstellt. Diese werden einem Wissenschaftler vorgelegt, der nun offiziell
als Autor auftritt. Falls der Wissenschaftler aber nicht mit den Ergebnissen
der Übersichtsarbeit einverstanden ist, riskiert dieser, von der Arbeit
ausgeschlossen zu werden (Arzneimittelinfo 2009). Für etwa jede zehnte
medizinische Publikation trifft das zu (Fugh-Berman & Dodgson 2008).
In manchen Fällen sind die Medizinjournalisten sogar bei der Pharmafirma
angestellt. In anderen Fällen sind sie in spezialisierten Agenturen
beschäftigt, sogenannten Medical Education and Communication Companies
(medizinischen Lehr- und Kommunikationsunternehmen). Finanzielle
Abhängigkeiten des Wissenschaftlers werden auch dadurch kaschiert, dass
er nicht von der Pharmafirma direkt, sondern von solchen Medical Education
and Communication Companies bezahlt wird (Arzneimittelinfo 2009).
Was bedeutet das nun für die Patienten? Im Prinzip sind die Ergebnisse
neuer Studien und werbetechnisch platzierter "hochmoderner" Medikamente erst
einmal mit Skepsis zu betrachten. Nicht alle Medikamente, die in Zeitungen,
Fernsehen, Radio oder Netz als hoch innovative, hoch wirksame und super tolle
Neuerung dargestellt werden, sind dies wirklich. Es gibt sicherlich Fälle,
wo das zutrifft, beispielsweise bei den Protonenpumpenblockern als Magenmittel
oder den ACE-Hemmern als Herz-Blutdruckmedikamente. Dies sind zweifellos
zwei Beispiele von wirklichen Innovationen, die vielen Menschen geholfen
haben. Zahlreiche andere Medikamente aber sind einfach nur modifizierte
Wirkstoffe eines anderen, erprobten Medikaments und stellen aus
medizinisch-ethischer Sicht weniger eine Innovation als ein therapeutisches
Risiko dar. Beispiele sind die als nebenwirkungsarme Rheumamittel massiv
beworbenen COX-2-Hemmer oder Skandale wie bei Lipobay.
Als medizinischer Laie ist es fast unmöglich, sich ein klares Bild
über echte oder vermeindliche Neuerungen zu machen. Dies gilt im
Übrigen auch für die praktizierenden Ärzte, die sich ebenfalls
darauf verlassen müssen, dass die zugänglichen Publikationen korrekte
Informationen enthalten. Was sicherlich durch die Arbeit von Fugh-Berman
& Dodgson (2008) manchmal kritisch betrachtet werden muss. Letztendlich
sollte der Arzt bei Innovationen immer zurückhaltend sein. Dem Druck
durch pharmazeutische Werbung, auch in Laienmedien, sollte man nicht unkritisch
nachgeben. Der Patient sollte nicht an jedes Werbeversprechen glauben. Am
besten ist sowieso, wenn man sich auf bewährte Verfahren verlässt.
Dann sind Risiken und Prognose immer gut und sicher zu beurteilen.
Literatur
Fugh-Berman, A. & Dodgson, S. J. 2008: Ethical considerations of publication
planning in the pharmaceutical industry. Open Medicine, 2(4),
http://www.openmedicine.ca/article/download/118/220.
Arzneimittelinfo 2009: Publikationsplanung und Ghostwriting - Wie die
Pharmaindustrie Fachveröffentlichungen beeinflusst. KVNo Aktuell,
11, 1213.
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